Übertragung nichtiger Aktienzertifikate
I. Ausgangslage
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass physische Aktienzertifikate vor der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregiser ausgegeben werden. Art. 644 Abs. 1 OR statuiert, dass Aktien, die vor der Eintragung ins Handelsregister ausgegeben werden, nichtig sind. Dies führt in der Praxis zu erheblichen Rechtsunsicherheiten. Im vorliegenden Beispielfall werden physische, indossierte Aktienzertifikate vor der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister ausgegeben. Die Gründungsaktionäre haben diese Aktien resp. Aktienzertifikate bei Entdeckung dieses Mangels bereits veräussert. Es stellt sich die Frage, ob der Erwerber der nichtigen Aktienzertifikate überhaupt gültig Eigentümer der nichtigen Aktien wird und/oder ob er überhaupt Aktionär der fraglichen Gesellschaft ist. Dieser Beitrag soll beleuchten, ob die Nichtigkeit von Aktien heilbar ist oder ob eine Übertragung der nichtigen Zertifikate dennoch gültig gewesen sein könnte.
II. Folgen der Nichtigkeit von Aktienzertifikaten
Wie bereits erwähnt sind gemäss Art. 644 Abs. 1 OR Aktien, die vor der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister ausgegeben wurden, nichtig. Dabei sind Aktien im Sinne von Aktienzertifikaten zu verstehen. Nichtig sind folglich nicht die Aktien i.S.v. Anteilen an der Gesellschaft, sondern lediglich das Wertpapier, welches die Aktie verbrieft (Berweger Martin, Fallgrube Aktienkauf, in: Expert Focus 2019 | 6 – 7, S. 470). Die Rechte und Pflichten an den Aktien bleiben bestehen (vgl. Urteil 7W 20 16 des Luzerner Kantonsgerichts vom 27. Januar 2021, E. 4.2.).
Die Nichtigkeit gilt absolut, zeitlich unbefristet und gegenüber jedermann. Bei einem nichtigen Aktientitel wird der gute Glaube bezüglich des Bestandes des verbrieften Rechts (anders als im allgemeinen Wertpapierrecht) nicht geschützt. Auch wenn verbriefte Aktien formell korrekt übertragen werden, können sie wegen der Nichtigkeit der Aktienzertifikate einem Erwerber des Zertifikats keine Aktionärsstellung verschaffen (Blum Oliver, Rechtsmängel bei der Übertragung von Aktien, in: AJP 2007, S. 695).
Bezugnehmend auf den in der Ausgangslage geschilderten Fall bedeutet das Folgendes: Die Besitzübertragung der Aktienzertifikate vermag trotz korrekter Indossierung der Aktien keinen Eigentumsübergang oder eine Übertragung von Rechten und Pflichten zu begründen. Aus diesem Grund sind die Gründer der Aktiengesellschaft Aktionäre geblieben. Allerdings sind bei der verfrühten Ausgabe der Aktienzertifikate nur die Zertifikate selbst nichtig und nicht etwa die Aktien i.S.v. Anteilen an der Gesellschaft. Die Aktionärsrechte könnten trotzdem gültig übertragen werden, nämlich durch eine Zession.
III. Übertragung von Aktien bei nichtigen Aktienzertifikaten
1. Zession
Wenn das Aktienzertifikat nichtig ist, nicht aber die Aktie selbst, so handelt es sich um eine unverbriefte Aktie. Unverbriefte Aktien können mittels Zession übertragen werden. Die Zession ist sogar die einzige Übertragungsmöglichkeit einer Aktie, wenn weder Titel ausgegeben noch Wertrechte geschaffen werden (vgl. dazu Druey Jean Nicolas/Druey Just Eva/Glanzmann Lukas, Gesellschaft und Handelsrecht, 12. Aufl., Zürich 2021, § 10 Rz. 47 und Fn. 18; Berweger, a.a.O., S. 471). Dies hat zur Folge, dass die Aktien als Bündel von Rechten und Pflichten (in unverbriefter Form) bei der vorliegenden Ausgangslage auch mittels Zession übergegangen sein könnten (vgl. Urteil 7W 20 16 des Luzerner Kantonsgerichts vom 27. Januar 2021, E. 4.2). Allerdings hängt es von der Ausgestaltung des Indossaments oder allenfalls auch des Aktienbuches ab, ob wirklich von einer Zession ausgegangen werden darf. Gemäss Art. 165 Abs. 1 OR bedarf eine gültige Zession der Schriftform.
Für den Eigentumsnachweis infolge Zession ist eine lückenlose Abtretungskette zurück bis zur Gründung respektive Kapitalerhöhung erforderlich. Auch eine jahrelang unangefochtene Anerkennung als Aktionär bewirkt keine Eigentumsübertragung. Ein Mangel in der Eigentumsübertragung wird nicht durch den Ablauf von Zeit (z.B. durch Ersitzung) geheilt. Stattdessen verbleibt das Eigentum an den Aktien bei jener Person, welche (als erstes) keine oder eine fehlerhafte Zession vorgenommen hat (Berweger, a.a.O., S. 471).
2. Ausgabe von gültigen Aktienzertifikaten
Neben der Zession gibt es noch eine andere Möglichkeit, mit nichtigen Aktienzertifikaten umzugehen. Der Verwaltungsrat kann, falls vorzeitig Aktientitel herausgegeben wurden, neue Titel an die Berechtigten aushändigen. Dabei hat er die nichtigen Titel einzuziehen. Stattdessen kann der Verwaltungsrat nach der Eintragung der Gesellschaft auch beschliessen, dass er die bisher nichtigen Titel als die nunmehr wirksamen Titel gelten lassen will. In diesem Sinne ist eine vorzeitige, nichtige Aktienherausgabe heilbar (vgl. dazu BSK OR II-Schenker, 5. Auflage. Zürich 2016, Art. 644 N 5). Schenker spricht in diesem Fall nur von einer Kann-Vorschrift. Dies wohl unter der Prämisse, dass sich der Verwaltungsrat nicht nach Art. 644 Abs. 2 OR haftbar machen möchte und die Aktienzertifikate neu ausgeben wird.
IV. Fazit
Aktientitel, die vor der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister ausgegeben wurden, sind nichtig. Die Nichtigkeit betrifft allerdings nur die physischen Zertifikate und nicht die Aktien selbst mit ihren Rechten und Pflichten. Je nach Ausgestaltung einer Übertragung von nichtigen Aktienzertifikaten, ist zu prüfen, ob die Aktien selbst rechtsgültig zediert worden sind. Liegt auch keine gültige Zession vor, kann der Verwaltungsrat die Aktien durch VR-Beschluss für gültig erklären. Allerdings hat er dabei ein gewisses Haftungsrisiko. Es ist zu empfehlen, die nichtigen Aktientitel einzuziehen und diese durch neue, gültige Aktientitel zu ersetzen.
I. Ausgangslage
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass physische Aktienzertifikate vor der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregiser ausgegeben werden. Art. 644 Abs. 1 OR statuiert, dass Aktien, die vor der Eintragung ins Handelsregister ausgegeben werden, nichtig sind. Dies führt in der Praxis zu erheblichen Rechtsunsicherheiten. Im vorliegenden Beispielfall werden physische, indossierte Aktienzertifikate vor der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister ausgegeben. Die Gründungsaktionäre haben diese Aktien resp. Aktienzertifikate bei Entdeckung dieses Mangels bereits veräussert. Es stellt sich die Frage, ob der Erwerber der nichtigen Aktienzertifikate überhaupt gültig Eigentümer der nichtigen Aktien wird und/oder ob er überhaupt Aktionär der fraglichen Gesellschaft ist. Dieser Beitrag soll beleuchten, ob die Nichtigkeit von Aktien heilbar ist oder ob eine Übertragung der nichtigen Zertifikate dennoch gültig gewesen sein könnte.
II. Folgen der Nichtigkeit von Aktienzertifikaten
Wie bereits erwähnt sind gemäss Art. 644 Abs. 1 OR Aktien, die vor der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister ausgegeben wurden, nichtig. Dabei sind Aktien im Sinne von Aktienzertifikaten zu verstehen. Nichtig sind folglich nicht die Aktien i.S.v. Anteilen an der Gesellschaft, sondern lediglich das Wertpapier, welches die Aktie verbrieft (Berweger Martin, Fallgrube Aktienkauf, in: Expert Focus 2019 | 6 – 7, S. 470). Die Rechte und Pflichten an den Aktien bleiben bestehen (vgl. Urteil 7W 20 16 des Luzerner Kantonsgerichts vom 27. Januar 2021, E. 4.2.).
Die Nichtigkeit gilt absolut, zeitlich unbefristet und gegenüber jedermann. Bei einem nichtigen Aktientitel wird der gute Glaube bezüglich des Bestandes des verbrieften Rechts (anders als im allgemeinen Wertpapierrecht) nicht geschützt. Auch wenn verbriefte Aktien formell korrekt übertragen werden, können sie wegen der Nichtigkeit der Aktienzertifikate einem Erwerber des Zertifikats keine Aktionärsstellung verschaffen (Blum Oliver, Rechtsmängel bei der Übertragung von Aktien, in: AJP 2007, S. 695).
Bezugnehmend auf den in der Ausgangslage geschilderten Fall bedeutet das Folgendes: Die Besitzübertragung der Aktienzertifikate vermag trotz korrekter Indossierung der Aktien keinen Eigentumsübergang oder eine Übertragung von Rechten und Pflichten zu begründen. Aus diesem Grund sind die Gründer der Aktiengesellschaft Aktionäre geblieben. Allerdings sind bei der verfrühten Ausgabe der Aktienzertifikate nur die Zertifikate selbst nichtig und nicht etwa die Aktien i.S.v. Anteilen an der Gesellschaft. Die Aktionärsrechte könnten trotzdem gültig übertragen werden, nämlich durch eine Zession.
III. Übertragung von Aktien bei nichtigen Aktienzertifikaten
1. Zession
Wenn das Aktienzertifikat nichtig ist, nicht aber die Aktie selbst, so handelt es sich um eine unverbriefte Aktie. Unverbriefte Aktien können mittels Zession übertragen werden. Die Zession ist sogar die einzige Übertragungsmöglichkeit einer Aktie, wenn weder Titel ausgegeben noch Wertrechte geschaffen werden (vgl. dazu Druey Jean Nicolas/Druey Just Eva/Glanzmann Lukas, Gesellschaft und Handelsrecht, 12. Aufl., Zürich 2021, § 10 Rz. 47 und Fn. 18; Berweger, a.a.O., S. 471). Dies hat zur Folge, dass die Aktien als Bündel von Rechten und Pflichten (in unverbriefter Form) bei der vorliegenden Ausgangslage auch mittels Zession übergegangen sein könnten (vgl. Urteil 7W 20 16 des Luzerner Kantonsgerichts vom 27. Januar 2021, E. 4.2). Allerdings hängt es von der Ausgestaltung des Indossaments oder allenfalls auch des Aktienbuches ab, ob wirklich von einer Zession ausgegangen werden darf. Gemäss Art. 165 Abs. 1 OR bedarf eine gültige Zession der Schriftform.
Für den Eigentumsnachweis infolge Zession ist eine lückenlose Abtretungskette zurück bis zur Gründung respektive Kapitalerhöhung erforderlich. Auch eine jahrelang unangefochtene Anerkennung als Aktionär bewirkt keine Eigentumsübertragung. Ein Mangel in der Eigentumsübertragung wird nicht durch den Ablauf von Zeit (z.B. durch Ersitzung) geheilt. Stattdessen verbleibt das Eigentum an den Aktien bei jener Person, welche (als erstes) keine oder eine fehlerhafte Zession vorgenommen hat (Berweger, a.a.O., S. 471).
2. Ausgabe von gültigen Aktienzertifikaten
Neben der Zession gibt es noch eine andere Möglichkeit, mit nichtigen Aktienzertifikaten umzugehen. Der Verwaltungsrat kann, falls vorzeitig Aktientitel herausgegeben wurden, neue Titel an die Berechtigten aushändigen. Dabei hat er die nichtigen Titel einzuziehen. Stattdessen kann der Verwaltungsrat nach der Eintragung der Gesellschaft auch beschliessen, dass er die bisher nichtigen Titel als die nunmehr wirksamen Titel gelten lassen will. In diesem Sinne ist eine vorzeitige, nichtige Aktienherausgabe heilbar (vgl. dazu BSK OR II-Schenker, 5. Auflage. Zürich 2016, Art. 644 N 5). Schenker spricht in diesem Fall nur von einer Kann-Vorschrift. Dies wohl unter der Prämisse, dass sich der Verwaltungsrat nicht nach Art. 644 Abs. 2 OR haftbar machen möchte und die Aktienzertifikate neu ausgeben wird.
IV. Fazit
Aktientitel, die vor der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister ausgegeben wurden, sind nichtig. Die Nichtigkeit betrifft allerdings nur die physischen Zertifikate und nicht die Aktien selbst mit ihren Rechten und Pflichten. Je nach Ausgestaltung einer Übertragung von nichtigen Aktienzertifikaten, ist zu prüfen, ob die Aktien selbst rechtsgültig zediert worden sind. Liegt auch keine gültige Zession vor, kann der Verwaltungsrat die Aktien durch VR-Beschluss für gültig erklären. Allerdings hat er dabei ein gewisses Haftungsrisiko. Es ist zu empfehlen, die nichtigen Aktientitel einzuziehen und diese durch neue, gültige Aktientitel zu ersetzen.